Schwarzes Meer Tour 2008


An Weihnachten 2007 sitzen wir zusammen im Clubheim der MFH. Nur einige Monate zuvor habe ich mein erstes Touren-Motorrad - eine Suzuki DR Big 800 gekauft. So sitzen wir bei dem einen oder anderen Bierchen zusammen und ich werfe in die Runde, warum nicht einfach die Donau entlang bis zum Schwarzen Meer zu fahren.

Einige Wochen Später ist es soweit und wir brechen zu dritt  Mitte Mai auf um über Österreich, Ungarn, Rumänien an das Donaudelta ans Schwarzen Meer zu gelangen. Der Rückweg führt uns über Bulgarien, Mazedonien, Albanien und Kroatien zurück nach Hause. Eine sehr erlebnisreiche Tour, wenngleich wir noch viel über Reisen mit dem Motorrad zu lernen hatten.

 

 

Gleich am zweiten Tag in Rumänien passiert es dann mitten im Nirgendwo: Ein großer Stein wird durch das Vorderrad der DR aufgewirbelt und stellt sich hochkant direkt in die Ölwanne - und zertrümmert sie. Notdürftig dichten wir mit Powerknete ab und füllen unsere Ölreserven ein um zumindest in die nächste Ortschaft zu gelangen.

 

Nach langer Suche und durchfragen finden wir schließlich eine kleine Hinterhofwerkstatt, die das nötige Schweißgerät zum schweißen des Alu-Motorgehäuses besitzt.

Wir sind erleichtert, dass unsere Reise erstmal weiter gehen kann. Das Wort "Suda" - Rumänisch für schweißen werden wir allerdings auf dieser Tour noch öfters brauchen.

 


Urdele Pass

Im strömenden Regen machten wir uns auf den Urdelepass erklimmen. Kurz nach der Abzweigung von der Asphaltierten Straße sind wir an eine Holzbrücke gelangt, die mit einer Schranke versperrt war. Während wir diskutierend davor standen war aus einem nahe gelegenen Bauwagen ein Waldarbeiter zu uns gekommen. Ein hagerer zäher Bursche mit einem freundlich interessierten Gesichtsausdruck. “Ihr könnt es schon versuchen” versucht er uns klar zu machen nachdem wir ihm gestenreich unser Vorhaben erklärt hatten. “Allerdings hat dieses Jahr noch niemand den Pass überquert” lässt er uns wissen. Wir überlegen nicht lange, der Waldarbeiter öffnet uns die Schranke und ein Hauch von Abenteuer liegt in der Luft als wir die Holzbrücke überqueren.

 

 

Der Weg schlängelt sich zunächst noch am Fluß entlang um schließlich in einen bewaldeten Hang abzuzweigen. Langsam gewinnen wir an höhe und schlängeln uns im dichten Wald entlang als uns plötzlich ein umgestürzter Baum den Weg versperrt. Durch den dichten Wald gibt es keine Möglichkeit zum Ausweichen. Zu zweit schaffen wir es schließlich die Zweige soweit nach oben zu drücken um ein Motorrad nach dem anderen darunter hindurch zu manövrieren. So geht es die nächsten Kilometer weiter. Immer wieder versperren in den Weg ragende umgestürzte Bäume und Äste den aufgeweichten Schotterweg. Als wir schließlich den Wald hinter und lassen gelangen wir an einer verlassenen und halb zerfallenen Scheune vorbei auf Almfläche. Der Regen hat sich inzwischen in ein nieseln umgewandelt und wir sind umgeben von dichtem Nebel, der unsere Sichtweite auf unter 100 Meter begrenzt. An den immer kühleren Temperaturen merken wir das wir zusehends an Höhe gewinnen. Plötzlich scheint sich der Weg zu verlieren und vom Nebel verschluckt zu werden. Als wir näher kommen erkennen wir das ein großes Schneefeld den Weg versperrt.

Der Schnee liegt schwer und sulzig über den Weg . Durch den dichten Nebel sehen wir nur ein weißes etwas vor uns liegen. Zu Fuß durch den schweren Schnee versuchen wir den verlauf des Weges weiter zu verfolgen auf der Suche nach einer befahrbaren Ausweichmöglichkeit. Wir finden schließlich eine befahrbare Möglichkeit, die direkt über den steilen Hang die Kehre unterhalb abkürzt. Ein Motorrad nach dem anderen bringen wir so nach oben während wir immer zu zweit dem jeweiligen Piloten den Weg durch den dichten Nebel weisen. Zuletzt bewege ich die voll beladene Big nach oben und erreiche mit ausreichendem Schwung den kleinen Wall der die Wegbegrenzung darstellt wieder den Weg. Ich halte kurz an um auf die anderen zu warten als sich die dichte Wolkenwand die uns umgibt kurz lichtet und und einen kurzen Blick auf die Landschaft um uns herum erlaubt. Der Ausblick ist überwältigend. Neben uns erkenne ich ein tiefes Tal. Die Hänge sind schroff und nach einem langen Winter Verdrängen die grünen Flächen den grau gewordenen Schnee immer mehr. Für einen Moment sind die Strapazen vergessen und unser Vorhaben scheint wieder einen Sinn zu haben.

Einen viel zu kurzen Augenblick können wir diesen Moment genießen. Wie versteinert stehen wir da, aber im Nächsten Moment zieht sich schon die nächste dichte Wolke über uns zusammen und beraubt uns wieder der Sicht.

 

 

Wir fahren langsam weiter. Schmelzwasser rinnt uns auf dem felsigen Weg entgegen. Große Geröllbrocken, die der tauende Schnee freigegeben hat gilt es zu umfahren. Der Höhenmesser zeigt an das wir schon bald den höchsten Punkt erreichen werden.

 

Auf der Anhöhe wird dann all unsere Hoffnung zerstört. Ein Gewaltiges Schneebrett versperrt an einer Schmalen Stelle den Weg. Wir steigen ab und schauen uns um. Der Schnee ist zu nass und zu schwer, zu steil der Abhang um hier an ein weiterkommen zu denken. Wir diskutieren lange, groß ist die Enttäuschung aber uns bleibt keine andere Wahl als umzukehren um noch vor Einbruch der Dunkelheit wieder auf der Hauptstraße sein zu können...



Schwarzes Meer

Ein paar Tage verbringen wir an der Küste bei Konstanza. Dringende Reparaturarbeiten werden durchgeführt und wir erholen uns etwas von den Strapazen der letzten Tage.


Bulgarien


Mazedonien (Ohrid See)


Albanien

Unsere Pechsträhne geht nicht zuende. Ein Platten hält uns auf und das Heck der KTM muss verstärkt werden

Auszug aus meinem Reisetagebuch vom 01. Juni 2008:

 

"... Es ist drückend heiß an diesem Mittag. Unser Ziel ist die Küste (Durres), wo Laut Karte ein Campingplatz sein soll. Am Morgen sind wir in Ohrid gestartet. Die Grenzkontrolle bei der Einreise nach Albanien haben wir noch vor der größten Mittagshitze absolviert. Die letzten Kilometer sind wir gut vorangekommen und freuen uns nach ein paar erholsamen Tagen am Ohridsee auf die nächste Etappen. Die Offroadetappen der letzten Tage haben ihren Tribut gefordert und so wollen wir zu große Ausflüge auf unbefestigten Straßen eigentlich vermeiden.

 Ich werfe einen Blick auf die Karte. Noch ist es nicht spät und die Karte verspricht einen kleinen Abstecher durch den Dajti Nationalpark auf einer Landschaftlich reizvollen Strecke. Das sagt zumindest die Karte und zudem ist sie als "gelb" eingezeichnet. Ein Blick auf die Legende identifiziert sie als Nebenstraße. Der direkte Weg würde auf einer Hauptstraße weiterführen und angesichts des guten Wetters und der noch nicht sehr vorangeschrittenen Tageszeit lassen wir uns auf das Abenteuer ein und biegen noch vor Elbasan rechts ab auf eine zunächst noch geteerte Straße.

Diese schlängelt sich immer weiter nach oben, wir merken langsam wie die Luft kühler wird. Die Gegend ist nur wenig besiedelt. Ab und an sehen wir einige Waldarbeiter, deren starrer Blick einen schon beinahe beängstigend durchbohrt. Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen und hebe die Hand zum Gruß. Die Mienen der Männer verdunkelt sich noch mehr. 

Die "Straße" schlängelt sich weiter nach oben. Der dichte Wald lichtet sich Zusehens und wir finden uns auf einer Lichtung wieder. Ein guter Platz für eine Rast denke ich und wir stellen unsere Motorräder ab. Wie es die letzten Tage üblich war, fällt der Kontrollblick von Klaus immer auf das marode Heck der KTM. Fast emotionslos teilt er uns mit dass nun auch der Heckrahmen gebrochen sei und das gesamte Heck nur noch vom Endschalldämpfer gehalten  ird. Wir stärken uns und genießen den Sonnenschein und verdrängen alle Sorgen. Nach den Pannen und Zwischenfällen der letzten Tage kann uns nichts mehr aus der Ruhe bringen. Das denken wir uns zumindest. Auch die dunklen Wolken, die langsam durch das Tal hinaufziehen beunruhigen uns in keinster Weise. In der Ferne sehen wir hohe Berge und auch schon den auf der Karte eingezeichneten Funkturm. Ich fühle mich in der Entscheidung bestätigt, diesen kleinen Abstecher zu machen. Laut Karte ist der Funkturm nicht mehr weit von Tirana entfernt. Noch weiß ich nicht dass es noch einen zweiten Funkturm gibt...

Bald erreichen wir einen Abzweig, der in spitzen Kehren einige hundert Meter nach oben zum Besagten Funkturm führt. Wir schlagen den Weg ein. Schon bei der 3. Kehre passiert es dann. Die Kehre biegt steil bergauf nach rechts ab. Zu spät merke ich dass der Schotter sehr lose ist. Augen zu und durch denke ich und reiße das Gas auf. Die DR heult auf, Steine fliegen und ich drehe mich wie ein Kreisel bis die Fuhre dann talabwärts im Schotter liegt. "Dass passiert wenn man das schwerste Mopped voraus fahren lässt!" fluche ich währen sich meine Mitfahrer nur schwer ein lachen verkneifen können. Mit vereinten Kräften wird die DR wieder aufgewuchtet und ich nehme die letzten Kehren nach oben mit etwas Wut im Bauch und mit genügend Gas. Schon bin ich oben, nurnoch eine große trübe Pfütze trennt mich vom Ziel. Was soll’s denke ich und zieh am Gas um durch die Pfütze zu fahren. Ich merke noch wie es immer tiefer wird, die Drehzahl der DR fällt schlagartig ab. Mit letztem Schwung rolle ich aus der Pfütze, die sich als mehr als Knietiefes Schlammloch entpuppt hat. Die DR ist bis hoch zum Kühler völlig verschlammt. Zu allem Überfluss spüre ich die ersten schweren Tropfen auf mich niederprasseln. Ohne die Aussicht einen Augenblick zu genießen machen wir kehrt, in der Hoffnung dem einsetzenden Starkregen entkommen zu können. Zuerst wirkt der Regen noch wie eine erfrischende Abkühlung doch er trifft uns völlig unvorbereitet und ohne Regenklamotten sind wir schon bald nass bis auf die Haut. Die Straße führt kurz unterhalb eines Kamms entlang als ich oben den ersten Blitz einschlagen sehe. Wir stoppen mitten im freien Gelände und entfernen uns schnell von den Motorrädern. Nur der Kollege mit den Titanplatten im Knie gibt sich unbeeindruckt und verschwindet auf seiner KTM im dichten Regen. An jeder Ecke haben wir vorher einen der vielen kleinen Pilzförmigen Bunker gesehen, doch hier ist weit und breit keiner. So kauern wir unter einem Felsvorsprung, die Isomatte die wir über uns halten kann uns nicht vor dem Regen schützen. Das Gewitter zieht über uns hinweg. Ich werfe einen Blick auf die DR und sehe dass der Hinterreifen platt ist.

Gerade als der Regen etwas nachlässt und das Gewitter sich verzogen zu haben scheint höre ich wieder ein dumpfes Grollen.

Erleichtert sehe ich die KTM uns entgegenkommen. Wir kramen kurzerhand eine Pumpe heraus und pumpen den Reifen notdürftig auf. Wir wollen nur weiter bevor die nächste Regenfront kommt. Von nun an geht es bergab und der Regen hat fast aufgehört. Allerdings gleicht die Straße einem reißenden Bach und man kann weder Hindernisse noch den genauen Verlauf der „Straße“ erkennen. So kämpfen wir uns langsam nach unten. Es ist kalt und wir sind völlig durchnässt. Der Regen hat inzwischen ganz aufgehört und ich stoppe um mir trockene Klamotten anzuziehen. Ich ziehe das durchnässte T-Shirt aus und als ich gerade im Koffer nach trockenen Klamotten suche spüre ich den ersten Treffer auf dem nackten Oberkörper. Ich schaue auf und sehe die ersten dicken Hagelkörner auf mich niederprasseln. Schnell bin ich wieder angezogen und schon sind wir wieder auf der Flucht. Endlose Kilometer weiter sehen wir dann wieder einen Funkturm...

Ab jetzt geht es nurnoch bergab. Die Luft wird schnell wärmer und die Straße allmählich breiter. Wir fahren direkt auf Tirana zu. Schon sind erste Hotelanlagen in bester Hanglage zu sehen. Völlig durchnässt und entkräftet fahren wir das erste Hotel an. Mit tropfenden Klamotten trotten wir in eine schon beinahe prachtvolle Empfangshalle. Unbeirrt gehe ich auf die Rezeption zu. Die Dame an der Rezeption wirft mir einen beinahe Mitleidigen Blick zu. Ihr Blick wird noch mitleidiger als sie mir den Preis für ein Zimmer nennt. Über 150€ pro Person soll es kosten. Ich mache auf dem Absatz kehrt und trotte wieder hinaus. Hinter mir zieht sich eine Spur wie von einer Schnecke auf dem auf Hochglanz gebohnerten Boden der Empfangshalle.

Der Schock könnte nicht größer sein. Von Natur völliger Abgeschiedenheit quälen wir uns jetzt durch den dichten Berufsverkehr von Tirana. Von den ärmlichen Bauern und Waldarbeitern mit  ihren Pferdekutschen oder klapprigen alten Transportern ist hier nichts mehr zu sehen. Laut hupend überholt uns ein X5. Auf einer Ausfallstraße werden wir dann doch noch fündig und steigen in einem bezahlbaren Hotel ab.

Die Flucht sollte am nächsten Tag weitergehen und schon an diesem Tag haben wir Albanien wieder verlassen... "


Rückreise über Kroatien